Der Fluch des Kopernikus by Philipp Vandenberg

Der Fluch des Kopernikus by Philipp Vandenberg

Autor:Philipp Vandenberg [Vandenberg, Philipp]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-11-10T16:00:00+00:00


KAPITEL VII

Gestirne und Erscheinungen

IE Sonne stand schon tief über der Stadt, als sie Nürnberg erreichten, und setzte den zahllosen Türmen und Giebeln der Stadt glitzernde Kronen auf. Es hatte geregnet, das Pflaster war naß, und die Pferde hatten Mühe, auf den glitschigen Straßen Halt zu finden. Barfüßige Gassenjungen begleiteten lärmend den Pferdewagen in der Hoffnung, von den Fremden für eine Auskunft oder Gefälligkeit mit kleiner Münze entlohnt zu werden.

Inmitten der alten Stadt, am Herrenmarkt, der seinen Namen von den Handelsherren hatte, die hier ihren Geschäften nachgingen, endete die Postlinie. Doch wie es schien, trat der Handel gegen Ende dieses Tages in den Hintergrund. Die Nürnberger tanzten in festlicher Kleidung zu Flötenmusik und Trommelschlag um den Brunnen, und aus den Fenstern der Fachwerkhäuser, welche dicht an dicht um den Platz standen wie Mönche beim Chorgebet, hingen Hunderte von Zuschauern und beobachteten das Treiben.

Die Pferde der Taxis’schen Post, die eher die Ruhe endloser Straßen als das laute Gedränge einer festlich gestimmten Stadt gewohnt waren, scheuten und drohten durchzugehen, doch dem Kutscher gelang es gerade noch abzuspringen und die aufgeregten Gäule am Zaumzeug zu zügeln.

»Seht da, zwei Mönchlein aus frommen Landen!« spotteten ein paar Weiber in derben Gewändern, welche sie eher als Marktfrauen auswiesen denn als wohlhabende Bürgerinnen. Leberecht nahm den Spott sofort auf und rief: »Ei freilich, damit sich wenigstens zwei Männer finden, die mit euch um den Brunnen tanzen!«

Die Schlagfertigkeit des fremden Mönchs rief bei Jung und Alt großes Gelächter hervor. Die Jungen zeigten mit Fingern auf die Marktweiber und lachten hämisch. So kamen die Ankommenden mit den Nürnbergern ins Gespräch und sie erfuhren den Anlaß des Tanzes am hellichten Tag: Sebastian Ketzel, ältester Sohn des gleichnamigen Patriziergeschlechtes, dem seit Generationen mehr Mädchen als Knaben geboren wurden, hatte Katharina, die Tochter des Schauamtmannes Jorg Beheim am 8. Tag des Monats geehelicht und eine Feier ausgerichtet, die erst heute, am 30. Tag, zum Ende kommen sollte. Die Ketzel, so war zu erfahren, zählten mit den Holzschuher, Tucher, Welser, Pfinzing, Paumgartner und Imhof zu den reichsten Handelsherren der Stadt. Sie seien so reich, daß einer der Vorfahren des Hochzeiters vom Rat der Stadt des Goldmachens beschuldigt und ins Loch gelegt worden war, weil keiner eine Erklärung fand für seinen überschäumenden Reichtum. Heute besäßen die Ketzel eine unbekannte Zahl von Handelsniederlassungen, wobei manche ausschließlich Eisen und Blei aus Bergwerken verkauften, an denen die Ketzel beteiligt seien.

Als wäre das nicht genug, verfügten sie über Lehnsgüter in der näheren Umgebung und eine unüberschaubare Anzahl von Immobilien, darunter ein Gartenhaus vor dem Tiergärtnertor, ein Haus am Heumarkt, ein Zinshaus hinter St. Katharina, ein Haus beim Wörther Türlein, ein Haus am Glockenhaus sowie Grundstücke unterm Pfaffenbühl. In der Ortschaft Stein gehöre ihnen die Hofstatt samt Badestube, Fischwasser und Äckern, was den Propst von St. Lorenz zu der Bemerkung veranlaßt habe, wenn Ketzel auf den Beinen stehe, seien alle gesund und wohlgemut, wenn er aber abwesend sei, dann erscheine der Rat der Stadt wie eine Witwe.

»Und jenes eindrucksvolle Fachwerkhaus dort drüben?« Leberecht zeigte zur gegenüberliegenden Seite des Herrenmarktes.

Ein Junker



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